Personas sind kein Allheilmittel

Personas sind eine beliebte und weit verbreitete Methode um zu ermitteln für welche Anwender ein Produkt entwickelt werden soll und um die Anwendersicht einfach in Designentscheidungen einfließen zu lassen. Es steht außer Frage, dass Personas dabei sehr gute Dienste leisten. Allerdings habe ich manchmal den Eindruck, dass Personas als Allheilmittel verstanden werden – getreu dem Motto “Nur mit Personas wird das Design gut.”. Ich habe in den letzten Jahren viele Projekte zur Erstellung von Personas betreut. Dabei bin ich zur Überzeugung gekommen, dass Personas in der Tat eine sehr nützliche Methode ist, wenn sich ein Team darauf einlässt. Es passiert aber auch immer wieder, dass Personas schlicht nicht funktionieren.

Aber mal von Anfang an. Warum macht man eigentlich Personas? In der Praxis fehlt teilweise die genaue Kenntnis über die realen Anwender eines Produktes. Die fehlenden Erkenntnisse werden dann häufig durch subjektive Eindrücke (z.B. “Ich finde, wir sollten Sonnengelb nehmen. Mich spricht das an.”) oder logische Überlegungen (z.B. “Es könnte ja Anwender geben, die genau diese Funktion haben wollen.”) ersetzt. In dieser Situation kann es leicht passieren, dass wichtige Anwendergruppen einfach übersehen werden. Außerdem kann es leicht zu Missverständnissen hinsichtlich der Anwenderanforderungen kommen, da nicht alle im Entwicklungsteam das gleiche Verständnis über die Zielgruppe haben. Sehr oft zu beobachten ist, dass dieser Umstand in einer Überproduktion von Anforderungen mündet, d.h. es werden Funktionen erdacht, die niemand braucht.


Quelle: Microsoft/MSN

Personas setzen genau an dieser Stelle an. Sie sind archetypische Beschreibungen von Anwendern, welche wesentlichen Merkmale der Zielgruppe beschreiben. Durch Personas …

  • entwickeln alle Projektbeteiligten ein gemeinsames Verständnis zur Zielgruppe.
  • werden Missverständnisse vermieden.
  • werden die Ziele und Bedürfnisse der Anwender in den Mittelpunkt von Anforderungsanalyse und Konzeption gerückt.
  • lassen sich Designentscheidungen aus Anwendersicht treffen.
  • lassen sich Anforderungen leichter priorisieren (Persona-Prioritätenmatrix).
  • lassen sich Testpersonen für User Centered Design-Maßnahmen, wie z.B. Usability Testing, gezielter rekrutieren.

Persona-Prioritätenmatrix

Personas sind im Wesentlichen ein Kommunikationsmittel im Rahmen der Anforderungsanalyse und Konzeption.

Wenn es um die Erstellung von Personas geht, dann unterscheide ich die beiden Ansätzen “Reale Personas” (nach Cooper) und “Realistische Personas” (nach Norman). Reale Personas basieren auf repräsentativen Marktforschungsdaten und versuchen ein möglichst genaues Bild der Zielgruppe zu vermitteln. Bei der Erstellung von Personas ist häufig ein hoher Marktforschungsanteil notwendig. Daher sind reale Personas auch eine beliebte Empfehlung von UX Agenturen. Realistische Personas basieren auf der Idee, dass in vielen Unternehmen genügend Wissen über die eigene Zielgruppe vorhanden ist. Realistische Personas basieren daher meist auf Erfahrungswerten und Annahmen. Sie entstehen in der Regel durch Workshops in denen das Wissen zu den Anwendern aus den Sichten Vertreib, Marketing, Entwicklung und Service zusammengetragen wird. (Siehe dazu auch: Der Persona Workshop)

Meine Erfahrungen in den letzten Jahren haben mich darin bestätigt, dass der Ansatz “Realistische Personas” nach Norman in den meisten Fällen der Richtige ist. Nur in den Fällen in denen kein Wissen zu den Anwendern vorliegt, ist die datenorientierte Herangehensweise nach Cooper sinnvoll.
Der wesentliche Grund für die Vorteile der realistischen Personas liegt im Wesen der Methode. Personas sind ein Kommunikationsmittel, welches seine Wirkung am besten entfaltet, wenn es in der Zusammenarbeit der Projektbeteiligten entsteht.

Zusammengefasst sprechen folgende Punkte für die Herangehensweise nach Norman:

  • Kosten und Zeitaufwand für reale Personas stehen meist nicht im Verhältnis zum Nutzen.
  • Das vorhandene Unternehmenswissen über IST-Anwender und die zukünftig angestrebte Zielgruppe wird genutzt. Durch die Beteiligung der Wissensträger entsteht eine höhere Akzeptanz der Personas.
  • Realistische Personas lassen sich schnell und einfach erstellen.
  • Der Erstellungsprozess von realistischen Personas fördert das gemeinsame Verständnis zur Anwenderschaft.

Nun aber zu dem Punkt warum Personas kein Allheilmittel sind. Wie gesagt: Es ist tatsächlich so, dass Personas oft gut funktionieren, aber eben nicht immer. Personas funktionieren nicht in jedem Projektteam. Aus Erfahrung funktionieren sie schlecht bis gar nicht, wenn …

  • Der Projektleiter bzw. das Projektteam den Nutzen von Personas nicht erkannt hat.
  • In einem Projektteam Designentscheidungen nur von der oberen Hierarchieebene getroffen werden.
  • Das Projektteam nicht anwenderorientiert vorgeht und denkt.
  • Sich das Projektteam oder einzelne Mitglieder nicht auf die Arbeit mit “nicht-existierenden” Personen einlassen kann.
  • Ein Persona-Verfechter im Team fehlt.
  • Personas schlecht in den Entwicklungsalltag integriert werden. Beispielsweise schwer zugänglich abgelegt werden.
  • Personas zu viele sinnlose oder irrelevante Informationen beinhalten und dadurch in der Praxis nicht anwendbar sind.

Wenn ihr also Personas einsetzen wollt, lohnt ein Blick auf diese Punkte, um zu erkennen, ob sich der Aufwand – auch wenn es nur ein kleiner ist – lohnt und welche Hindernisse zu erwarten sind.

War dieser Artikel hilfreich für Dich?

Nach oben scrollen