Die Vorlehre des Bauhaus – fehlendes Element in der Ausbildung digitaler Gestalter? #digitaldesign #BITKOM #bauhaus

Das Bauhaus und der BITKOM AK “Digital Design“ haben zu einem Diskurs über die Ausbildung für digitale Gestalter in die ehemalige Metallwerkstatt des Bauhaus-Gebäudes in Dessau eingeladen. Der Diskurs drehte sich um die Frage, inwiefern der Vorkurs des Bauhaus als gutes Vorbild für die Ausbildung von digitalen Gestaltern und ein geeignetes Instrument für die Steigerung von Gestaltungskompetenz dienen könnte.

Quelle: Ulf Schubert

Der Vorkurs am Bauhaus

Der Vorkurs stand am Anfang der Ausbildung am Bauhaus. Erst unter der Leitung von Johannes Itten und später dann unter Leitung von Vorkurs László Moholy-Nagy bzw. Josef Albers näherten sich die Studenten auf experimentelle Weise dem Umgang mit den Materialien sowie gestalterischen Grundprinzipien. Im Kern dieser Ausbildung standen Materialkunde, die eigene Kreativität und das subjektive Gestaltungsempfinden der Studenten. Der Vorkurs war die Zugangsvoraussetzung zum eigentlichen Studium am Bauhaus.

“Die Verantwortung des Bauhauses besteht darin, Menschen heranzubilden, die die Welt in der sie leben, erkennen und die aus der Verbindung ihrer Erkenntnisse und ihres erworbenen Könnens heraus typische, diese Welt versinnbildlichen Formen ersinnen und gestalten.” Walter Gropius 1923

Das Bauhaus wurde im Wesentlichen durch seinen Vorkurs geprägt. Das beste Zeichen dafür war, dass die Meister im Vorkurs bzw. in der Vorlehre arbeiteten. Für das eigentliche Studium wurden Gastlehrer eingeladen. Die Bauhaus Lehre basierte auf einem Curriculum, was sich von der Vorlehre über Naturstudium, Raumlehre, Werkzeuglehre und Materialkunden zum Ziel – dem Bau – im Zentrum vorarbeitete.

Quelle: Wikipedia

Das Bauhaus war sehr interessiert daran, sinnliche Zugänge zu schaffen, selbst für die abstraktesten Dinge. Es suchte nach einer sinnvollen Verknüpfung von Technik und künstlerischem Schaffen. Die Schüler sollten lernen, alle Dinge so körperlich und sinnlich wie möglich zu gestalten.

“Wenn der Künstler sich geometrisch beschäftigt und mathematisch rechnet, dann kann er den Techniker umarmen.”

Die Schaffenden am Bauhaus verfolgte die, zugegebenermaßen etwas größenwahnsinnige, Idee, die Welt dadurch zu verändern, indem man sie nach gestalterischem Prinzipien ausbalanciert. Diese basierten auf vier grundlegenden Elemente “Architektur als erweitertes Feld”, “Strukturierung”, “Modellierung” und “Visualisierung”.

„Entfesselung der Individualität, Befreiung von der toten Konvention zugunsten persönlicher Erlebnisse und Erfahrungen.“

Johannes Itten

Daher waren insbesondere Übungen zur Strukturierung prägender Teil der Ausbildung. Es ging darum möglichst einfach und unwissend zu starten. Im Kern des Vorkurses stand unter anderem die Suche nach einer Struktur für das Gestalten und der Gestalt. Dabei waren Inspiration und Experimente wesentliche Elemente.

„Wichtiger als die Form, ist im Bauhaus die Struktur dahinter und der Gestaltungsprozess.“

Torsten Blume, Bauhaus Dessau

Das Bauhaus war in seinen Anfängen eine Bruderschaft Gleichgesinnter, die gemeinsam lernen wollten. Das Bauhaus hatte den Luxus als Schule ohne Lehrplan beginnen zu können und das obwohl die Utopie einer lernenden Gemeinschaft zu damaligen Zeitpunkt nicht förderwürdig war. Es gab im Bauhaus keine Scheu gegenüber jeglicher Form von Wissen – egal wie sehr dieses in der Gesellschaft akzeptiert war.

Die Bauhaus-Schüler waren stolz darauf ein Teil dieser lernenden Gemeinschaft zu sein. Sie hatten das Gefühl Teil von etwas Größerem zu sein. Sie inszenierten sich als neue Menschen, die sich erst selbst gestalten und dann Dinge gestalten, die die Welt verändern.

Die Meister des Bauhaus wollten die Menschen zu einer neuen Ästhetik erziehen. Menschliche Bedürfnisse spielten bei der Gestaltung, im Gegensatz zu heute, keine bedeutsame Rolle. Lediglich das Bedürfnis einer reichen bürgerlichen Mittelschicht nach Differenzierung über deren Gebäude und Wohneinrichtungen kam dem Bauhaus finanziell zu Gute.

Im Bauhaus konnte kein echter Studiumabschluss erreicht werden. Nach dem Vorkurs lernten die Bauhaus-Schüler neben dem Studium am Bauhaus eine anerkannten Handwerksberuf. Die Ausbildung am Bauhaus konnte dadurch freier gestaltet werden. Es war nicht notwenig Richtig oder Falsch zu definieren und danach zu bewerten.

Übertragung auf digitale Gestaltung

Um die Antwort auf meine eingangs genannte Frage zum Vorbildcharakter des Vorkurses vorweg zu nehmen: Ja, der Vorkurs des Bauhauses ist eine ausgezeichnete Inspirationsquelle für die Verbesserung der Ausbildung digitaler Gestalter.

Für mich ergibt sich aus der Diskussion im BITKOM AK Digital Design folgende Idee:

Das, was die Ausbildung von digitalen Fachkräften vom Bauhaus lernen kann, ist der Freiraum ohne Richtig und Falsch für die Erarbeitung eines soliden Selbstverständnisses, eines eigenständigen Gestaltungsempfindens, eines Verständnis des digitalen Materials und der Fähigkeit zur Selbstinspiration.

Bevor sich digitale Designer mit dem Lernen von etablierten Methoden, vorgegebenen Modellen und Strukturen sowie Werkzeugen beschäftigen, sollten sie sich selbst kennenlernen. Sie sollten die Strukturierung von Dingen selbst erfahren und sich ein eigenes Verständnis über Strukturen – und damit auch ein solides Selbstbewußtsein – erarbeiten.

Das Bauhaus drehte sich im Wesentlichen um die „Erfahrung des Raumes“. Die digitale Gestaltung dreht sich um die „Erfahrung der Interaktion“. Im Digital Design werden Interaktionen so gestaltet, dass sie zu bestimmten Erlebnissen führen. Daher sollte es im ersten Schritt um Strukturen von Interaktionen und Erlebnissen gehen. Dies bildet später eine gute Grundlage für Kreativität.

Ergänzend zum Vorkurs des Bauhaus sollte die Ausrichtung auf die menschlichen Bedürfnisse gelehrt werden. Beginnend bei den eigenen Bedürfnissen und Einstellungen sollte dann vermittelt werden, wie Produkte für die Bedürfnisse anderer gestaltet werden können.

Modell für die Ausbildung von digitalen Gestaltern nach dem Vorbild des Bauhaus

Das menschliche Bedürfnis sollte den Ausgangspunkt für die Ausbildung von digitalen Gestaltern bilden und mit dem eigenen persönlichen Bedürfnissen beginnen. Die Interaktion zwischen Menschen und Maschinen (bzw. zwischen Menschen oder zwischen Maschinen) sollte das Ziel sein.

Selbstverständlich dürfen ethische, juristische und wirtschaftliche Grundlagen in dem Modell nicht fehlen. Dies sind für mich wie Methoden und Werkzeuge oder das Auseinandersetzen mit den Bedürfnissen anderer Bestandteil des zweiten Rings.

Damit ein gutes Verständnisses von digitalem Material entstehen kann, stellt sich zunächst die Frage, was digitales Material ist. Digitales Material besteht – wie analoges Material – aus erlebbaren Komponenten und dahinterliegenden Komponenten. Erlebbar sind Dinge wie Bedienoberflächen, Funktionen, Daten und deren Qualitäten (z.B. Ästhetik oder Geschwindigkeit). Dahinterliegend sind Dinge wie die Komponenten der Software-Architektur (z.B. Micro-Services), Algorithmen, Funktionen (z.B. Machine Learning) und deren Qualitäten (z.B. Skalierbarkeit). Wie auch bei analogen Materialien ist die Materialkunde so vielschichtig, dass es für einen Menschen unmöglich ist, umfassendes Wissen über alle Materialien zu haben. Es geht um ein Überblickswissen über alle Materialien und vertiefende Kenntnisse zu einzelnen Materialien.

Fazit

Eine digitale Vorlehre nach dem Vorbild des Bauhauses in der Ausbildung von digitalen Gestaltern ist sinnvoll. Sie schafft über Selbstreflektion, Selbsterkenntnis und Selbstbewußtsein eine solide Grundlage für eigenständiges Denken und Kreativität bei digitalen Gestaltern. In Verbindung mit bestehenden interdisziplinären digitalen Lehrangeboten zu Methoden, Werkzeugen, usw. fördert eine solche Vorlehre die Ausbildung von Menschen, die Unternehmen mit einer breiten Sicht auf digitales Design, mit Selbstbewusstsein sowie eigenständigem Denken den Weg in Richtung einer erfolgreichen Digitalisierung weisen können. Im Grunde wäre das schon in der schulischen Ausbildung eine gute Idee.

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