Die User Experience des Virtuellen im Industrie- und Enterprise-Umfeld #bitkom #uux #lufthansa #digitallab

Ich war heute endlich mal wieder beim BITKOM AK User Experience und Usability bei Lufthansa Industry Solutions. Es ging um das Thema „Die User Experience des Virtuellen im Industrie- und Enterprise-Umfeld“. Die interessanten BeitrĂ€ge, die Aussicht auf spannende GesprĂ€che und die Chance einen Blick in das Digital Lab der Lufthansa werfen zu können, konnte ich mir einfach nicht entgehen lassen.

Die lehrreichsten BeitrĂ€ge und Highlights des Treffens waren fĂŒr mich:

Augmented und Virtual Reality zur Planung zukĂŒnftiger Airport-Services

Dr. Andreas Kohne von Materna TMT zeigte in seinem Beitrag, wie Lufthansa zukĂŒnftige Services am Flughafen mit Hilfe von Virtual und Augmented Reality plant. Das kann man sich wie eine Art Prototyping fĂŒr Passagierprozesse und -dienstleistungen in der realen Welt vorstellen.

Planung eines Terminals in VR

Er zeigte zwei Anwendungen mit denen sich die Innenarchitektur von Terminals bzw. Teilbereichen der Passenger Journey gestalten und konzipieren lassen. Eines davon ist eine reine VR-Anwendung in der komplette Terminals nachgebildet werden können. Die andere Lösung ist eine AR-Lösung mit der sich beispielsweise 3D-Modelle von GerĂ€ten in die reale Welt platzieren lassen. Die technische Basis fĂŒr die Visualisierung ist ĂŒbrigens die Gleiche, die auch beim First-Person-Shooter Unreal genutzt wurde. Das war mir dann gleich sehr sympathisch 🙂

Mit diesem Vorgehen möchte Lufthansa besser auf das stĂ€ndig steigenden Passagieraufkommen reagieren können und die Passenger Journey optimieren. Außerdem sind die FlughĂ€fen daran interessiert, dass die FluggĂ€ste weniger Zeit fĂŒr die bĂŒrokratischen Prozesse des Fliegens brauchen und mehr Zeit fĂŒr Shopping, Gastronomie sowie andere Dienstleistungen haben.

Eine GepÀckmaschine steht im Konferenzraum.

Die Anwendungen sind so ausgelegt, dass sowohl das Design der Prozesse als auch das Testing darin passieren kann. Das Testing der gestalteten Services und Prozesse erfolgt mit Testpersonen komplett in der virtuellen Welt oder mittels Augmented Reality. Dabei spielt nicht nur VerstĂ€ndlichkeit, sondern auch Effizienz eine große Rolle, d.h. die AblĂ€ufe werden gemessen.

Der Wanderer im Nebel – Wie viel KI muss der UX Designer verstehen

KĂŒnstliche Intelligenz ist mittlerweile keine Raketenwissenschaft mehr. KI ist nutzbar geworden und findet mittlerweile in vielen Bereichen Anwendung. Das bringt neue Herausforderungen fĂŒr die Konzeption von KI-basierten Produkten und Services mit sich.

Nutzer ĂŒberschĂ€tzen KI-basierte Systeme schnell. Sie erwarten aufgrund einer angenommenen Intelligenz mehr, als das System tatsĂ€chlich leisten kann. Durch die Abweichung von Erwartungen und Systemverhalten bzw. -fĂ€higkeiten kommt es in Folge schnell zu schlechten Nutzererlebnissen.

Christoph Fröhlich (Folge 3) und Dr. Christian Graf (Dataport AöR) gaben folgende Empfehlungen fĂŒr UX Designer und die Konzeption von KI-basierten Systemen:

  • KI-Systeme können nicht alle Probleme der Welt lösen. Sie sind sehr spezialisiert. Daher muss klar vermittelt werden, wofĂŒr das KI-System geschaffen wurde und wie es funktioniert. Die FĂ€higkeiten der KI und die Erwartungshaltung der Nutzer mĂŒssen zusammenpassen.
  • Bei kĂŒnstlicher Intelligenz können die Elemente, die das Nutzungserlebnis ausmachen, nicht mehr so prĂ€zise gestaltet werden, wie beispielsweise bei einer Webseite. Beim Design von KI-basierten Lösungen spielt das Testen und dauerhafte Beobachten des Systemverhaltens sowie das daraus resultierende Nutzungserlebnis eine deutlich grĂ¶ĂŸere Rolle. Wichtig dabei ist, dass dafĂŒr viel mehr Testpersonen als bisher notwendig sind.
  • Die Betrachtung von GrenzfĂ€llen zwischen den Erwartungen der Anwender und den FĂ€higkeiten des Systems sollte bei der Konzeption einen grĂ¶ĂŸeren Raum als bisher einnehmen, um schlechte Nutzererlebnisse zu vermeiden.
  • Die UX Designer mĂŒssen die FĂ€higkeiten, Funktionsweisen und Grenzen von KI besser verstehen. Die Grundprinzipien kĂŒnstlicher Intelligenz sollten ein fester Bestandteil der Ausbildung von UX Designer werden.

ETHIKA-Prinzipien – Zusammenspiel von KI & UX

Lukas Rein (rhaug) sieht, dass durch kĂŒnstliche Intelligenz große VerĂ€nderungen fĂŒr die Arbeit von UX Designern entstehen. Die Gestaltung der User Experience wird zukĂŒnftig weit ĂŒber das visuelle Interface hinausgehen. Aspekte wie Empathie, Persönlichkeit und das VerstĂ€ndnis fĂŒr die BedĂŒrfnisse der Menschen werden wichtiger denn je.

Er beschrieb die ETHIKA-Prinzipien, die eine Hilfestellung bei der Konzeption von KI-basierten System geben sollen:

  • Emotion: Menschen werden eine emotionale Verbindung zu KI-Systemen aufbauen.
  • Transparenz: Der Nutzer muss immer wissen, ob ihm eine echte oder kĂŒnstliche Intelligenz gegenĂŒbersteht.
  • HumanitĂ€t: Die kognitive und emotionalen Grenzen und Richtlinien mĂŒssen berĂŒcksichtigt werden. KI, die viel zur falschen Zeit abnimmt, kann unsere Intelligenz einschrĂ€nken oder die Gesundheit gefĂ€hrden.
  • Intelligenzsparsamkeit: KĂŒnstliche Intelligenz muss ein konkretes Problem lösen. Sie darf nicht zum Selbstzweck eingesetzt werden. Moralische Entscheidungen sollten durch Menschen im Vorhinein abgewogen werden.
  • Kontrolle und Steuerung: Die letzte Gewalt sollte in der EinfĂŒhrungsphase von KI beim Nutzer liegen. Erst wenn KI-basierte Systeme ausgereift sind, ist eine komplette Übernahme von KI denkbar.
  • Aufmerksamkeit und Einbindung des Nutzers: Die Systeme sollte so gestaltet werden, dass die Nutzer eingebunden bleiben. Die Aufmerksamkeit der Nutzer und das Vermeiden von automationsbedingten Fehlern sollte bei der Gestaltung berĂŒcksichtigt werden.

Je stÀrker das typische Interface in den Hintergrund tritt, desto wichtiger und verantwortungsvoller wird die Gestaltung des Gesamtsystems.

Lufthansa Digital Lab

Nach dem Mittag war es dann soweit. Der Einblick in das Digital Lab der Lufthansa stand an. Die Lufthansa Industry Solutions betreibt mehrere Labs fĂŒr den Konzern, z.B. Data Analytics Lab, Data Insight Lab, Mobile Lab, IoT Lab, AI Lab oder Blockchain Lab. Um das Zusammenspiel der verschiedenen Labs zur orchestrieren, wurde das Digital Lab als Klammer eingefĂŒhrt. Lab heißt fĂŒr Lufthansa Technologiescouting, Machbarkeitsstudien und technologisches Prototyping. Die Idee der Labs ist, schnell prototypische Lösungen fĂŒr spezifische technologische Problemstellungen zu entwickeln. Da die Probleme einen technologischen Fokus haben, werden bei den Prototypen bewußt Abstriche in der technologischen Tiefe oder Produktgestaltung gemacht. Aber auch bei Lufthansa Industry Solutions gewinnt UX zunehmend an Bedeutung.

Die Kunden der Lufthansa Labs kommen zu 50% aus dem Konzern und zu 50% aus der Wirtschaft. Sie treten in der Regel mit konkreten Fragestellungen an die Labs heran. Wenn sich aus diesen Fragestellungen konkrete Projekte fĂŒr Produkte oder Lösungen ergeben, dann werden diese in der Linienorganisation der Lufthansa Industry Solutions bearbeitet.

In den Lufthansa Labs arbeiten aktuell vor allem Ingenieure aus den Fachrichtungen Informatik, Maschinenbau und Elektrotechnik. Was die Labs natĂŒrlich schon im Ansatz auf technische Themen limitiert.

Konkret angesehen haben wir uns das IoT-Lab. Dieses befindet sich in ganz normalen BĂŒrorĂ€umen. Einzig die vielen Gadgets, Sensoren und GerĂ€te zeigen, dass diese RĂ€umlichkeiten einen besonderen Zweck haben. Im IoT-Lab sind viele GerĂ€te nutzbar, die aus SicherheitsgrĂŒnden nicht im Netzwerk der Lufthansa betrieben werden dĂŒrfen. Außerdem gibt es eine kleine Werkstatt mit 3D-Druckern und anderen Tools fĂŒr die Herstellung von Hardware-Prototypen.

Usability Evaluationen von virtuellen Prototypen mit Augmented und Virtual Reality

Im letzten Beitrag des AK Treffens berichtet Dr. Patrick Harms (Uni Göttingen) aus seiner Forschungspraxis. Er beschÀftigte sich in seiner Forschungsarbeit u.a. mit der Automatisierung der Usability Evaluation.

Usability Testing ist vor allem fĂŒr physische Endverbraucherprodukte, wie z.B. HaushaltsgerĂ€te, ziemlich teuer. Es mĂŒssen funktionierende Hardware-Prototypen entwickelt und gebaut werden. Dies ist einigen Unternehmen zu teuer. Sie verzichten daher auf das Usability Testing. Patricks Idee ist es, diesem Umstand mit kostengĂŒnstigen virtuellen Prototypen und automatisierten Usability Tests zu begegnen.

Seine Forschung zeigt, dass es aktuell noch EinschrĂ€nkungen fĂŒr das Testen von virtuellen Prototypen gibt:

  • EingabegerĂ€te und -möglichkeiten zur Bedienung der VR bringen zusĂ€tzliche KomplexitĂ€t, welche die Ergebnisse beeinflußt
  • Die Interaktionen sind nicht natĂŒrlich, da u.a. auch haptisches Feedback fehlt oder Bedienelemente in der VR nicht so bedient werden können, wie in der realen Welt.
  • Die Nutzung von Smartphones als AR-Device ist problematisch, da die viele Probanden das Konzept von Smartphone-AR nicht kennen.

Seine Forschung zeigt im Vergleich mit den Ergebnissen aus herkömmlichen Usability Evaluation eine Tendenz, dass beide Verfahren Àhnliche Ergebnisse liefern, also im Wesentlichen Àhnliche Usability Probleme zu Tage fördern. Im Vergleich von klassischem und virtuellen Test stellte er fest, dass in der virtuellen Welt mehr ausprobiert wird.

Aktuell macht er erste Versuche in denen virtuelle Prototypen mittels unmoderierter Remote-Usability Tests und automatisierter Auswertung hinsichtlich Usability getestet werden.

Das nÀchste AK-Treffen UUX

Das nÀchste AK-Treffen des BITKOM AK UUX findet am 18.09.2019 im AppHaus der SAP in Heidelberg zum Thema Accessibility statt.

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