UX Stammtisch Franken zur lateralen Führung durch UX Professionals #uxsf #FuehrenOhneMacht

Beim UX Stammtisch Franken im September 2020 haben wir mit ca. 30 UX Professionals und UX Interessierten aus ganz Deutschland das Thema “Führen ohne Macht durch UX Professionals” diskutiert. Die Frage ist fast so alt, wie die UX Community selbst. Trotz ihres Alters gibt es darauf jedoch noch keine Antwort, welche die Frage für deutsche Unternehmen zuverlässig beantwortet.

Das Format

Für die Diskussion hatte sich die #uxsf-Moderatorin und Scrum Masterin Diana Tiefholz ein digitales Fishbowl-Format ausgedacht, dass echt gut funktioniert hat.

Screenshot aus dem Miro-Board des UXSF 09/20

Die Basis für die Strukturierung der Diskussion war ein Miro-Board mit einem virtuellen Stuhlkreis mit 5 Plätzen. Um sich in diesen Kreis zu setzen, zog man einfach ein Sticky mit seinem Namen in den “Stuhlkreis” und war dabei. Die Ergebnisse wurden direkt um den “Stuhlkreis” dokumentiert. Parallel wurden die Videos der Teilnehmer über eine Zoom-Session übertragen.

Die Antworten

In der Diskussion wurden viele Best Practices angesprochen und diskutiert, wie UX Professionals in Unternehmen lateral d.h. ohne formale Autorität ein Unternehmen zielgerichtet zu mehr Kundenorientierung und besseren Kundenerlebnissen führen können.

Ich will mal versuchen die wichtigsten Punkte zusammenzufassen:

“Ich lass den Support so lange jammern, bis genügend Betroffenheit da ist.”
Einige Teilnehmer haben die Erfahrung gemacht, dass es hilft Leidensdruck bzw. Betroffenheit bei den Entscheider*innen und im Entwicklungsteam zu erzeugen. Dies kann entweder durch die eigene Beobachtung, z.B. durch Teilnahme an Usability Tests, Highlightvideos oder Zitate geschehen. Oder, sie haben Mitarbeiter mit Kundenkontakt dazu gebracht, ihre Erlebnisse mit Kunden zu teilen.

“Normen können ein scharfes Schwert sein.”
Eine kontroverse Diskussion gab es zum Thema Normen. Einige Teilnehmer berichteten davon, dass sie gute Erfahrungen mit der Argumentation auf Basis von Ergonomie- bzw. Barrierefreiheits-Normen gemacht haben.

Das funktioniert vor allem in Unternehmen, in deren Branche die Einhaltung von Ergonomie- bwz. Barrierefreiheits-Normen gesetzlich verankert ist, z.B. im Gesundheitswesen oder im öffentlichen Sektor. In Branchen in diese Normen nicht fest verankert sind, erzeugt die Argumentation jedoch meist nicht die gewünschte Aufmerksamkeit, sondern im schlimmsten Falle ein abfälliges Lächeln.

Normen können darüberhinaus auch eine limitierende Wirkung haben. Wenn Normen zum Selbstzweck werden und sich Entwicklungsteam nur noch darauf konzentrieren die Norm zu erfüllen, geht der Blick für Kundenbedürfnisse schnell verloren.

“Man muss UX bei den richtigen Entscheiden platzieren und die überzeugen.”
Natürlich wurde auch der Klassiker genannt. Es ist naheliegend, dass man nur die richtigen Entscheider*innen überzeugen muss und dann läuft’s. Allerdings verspüren UX Professionals häufig eine Ohnmacht bei der Überzeugungsarbeit. Insbesondere Manager*innen der alten Schule lassen sich nur selten durch logische Argumente zu Investitionen in UX bewegen.

Ich bin davon überzeugt, dass es keine sinnvolle Taktik ist, rein durch die Überzeugungsarbeit bei einzelnen Machtinhaber*innen für Investitionen in oder Veränderungen zu besserer UX sorgen zu wollen. Es kostet einfach zu viel Lebenszeit und erzeugt Frust.

Wenn Du es doch mal versuchen willst, dann solltest Du Deine Argumentationslinie auf den Persönlichkeitstyp der Person abstimmen. Beispielsweise lassen sich leidenschaftliche machtorientierte Menschen eher mit Argumenten überzeugen, aus denen hervorgeht, was sie persönlich von einer Investition in UX haben. Argumente, welche logisch die Sinnhaftigkeit von UX herleiten oder gar den ROI von UX belegen, sind bei diesem Persönlichkeitstyp ungeeignet.

“Mir haben Leuchtturmprojekte sehr geholfen für bessere UX im Unternehmen zu werben”
Einige Teilnehmer haben mit Leuchtturmprojekten gute Erfahrungen gemacht, anhand denen das Unternehmen auf direkte Weise den Mehrwert von besseren Kundenerlebnissen spüren konnte. Du solltest Dir bei dieser Taktik bewusst sein, dass Leuchtturmprojekte meist auf wackeligen Beinen stehen. Sie sind immer auch eine Wette, die leicht misslingen kann.

“Dass Du als UX Designer einen Sitz am Tisch der großen Entscheider hast, heißt nicht, dass Du automatisch Autorität besitzt”
In klassischen Organisationsformen kann es eine gute Taktik sein, als UX Professional die Hierarchie-Leiter nach oben zu klettern, um dann automatisch mehr Autorität zu erlangen.

Dieser Weg ist jedoch nicht mehr so richtig zeitgemäß. Vor allem in agilen Organisationen nimmt die Bedeutung von Hierarchie-Ebenen spürbar ab. In selbstgesteuerten und lernenden Organisationen ist die Führung über formale Autorität, Entscheidungsbefugnisse, Incentives und Sanktionen unpassend und führt meist nicht zur gewünschten Wirkung.

Zahlen, Zahlen, Zahlen
Natürlich kam auch die Führung über Kennzahlen zur Sprache. Hierbei ist es wichtig Kennzahlen zu identifizieren, die operative Geschäftsergebnisse sichtbar machen und die Erreichung von Unternehmenszielen visualisieren.

Meine Best Practice
Besser Kundenerlebnisse erreicht man ohne formale Autorität, in dem man einen gemeinsam akzeptierten Anspruch formuliert, dessen Erfüllung visualisiert und die Aufmerksamkeit derjenigen darauf lenkt, an denen sich die Menschen im Unternehmen orientieren. (Siehe So kannst Du als UX Professional auch ohne Macht ein Unternehmen zu besserer UX führen)

Die wichtigste Erkenntnis zum Schluss
Welche Best Practice in Deinem Unternehmen in Sachen lateraler Führung funktioniert, hängt vom UX-Reifegrad, der Organisationsform und dem Kontext des Unternehmens ab. Du solltest nicht verzagen wenn es nicht gleich beim ersten Mal klappt. Rechne damit, dass Du viel probieren musst und oft scheitern wirst, um zu lernen, was in Deinem Unternehmen funktioniert.

Dankeschön

Ein dickes Dankeschön möchte ich wieder an PAESSLER für die Bereitstellung der digitalen Infrastruktur für den UX Stammtisch Franken aussprechen, ohne die es nicht möglich gewesen wäre, dieses lehrreiche Diskussionsformat umzusetzen.

Ein weiteres Dankeschön geht an Diana Tiefholz von PAESSLER für die großartige Moderation. Außerdem möchte ich mich bei allen UXSF’lern bedanken, die fleißig mitdiskutiert haben. Allen voran Thomas Hermenau von der Deutschen Anwaltshotline und Florian Bemm von Capgemini, die mit ihren Statements die Diskussion richtig gut in Fahrt gebracht haben.

Danke 🙂

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