Am letzten Tag der Mensch und Computer habe ich mir Vorträge zu UX-Organisation, Cartooneering und Beziehungsdesign angehört. Die Zusammenfassung dieser Beiträge findest Du hier:
UX Organisation mit Wirkung
Christian Hauri (Hauri Ergonomie & Coaching) und Markus Flückiger (Zühlke) sprachen über die Organisation von UX.
UX-Organisationen entstehen in der Praxis oft durch Zufall. Selten wird überlegt, was ist die beste Organisationsform, um Wirksamkeit zu erhalten. Bei der bewussten Organisationsgestaltung ist es ratsam, sich bestehender Methoden der Organisationsentwicklung zu bedienen. Christian sprach darüber, wie man das OSTO-Modell und dessen Patterns nutzen kann. Außerdem helfen UX-Reifegradmodell bei der Zustandsbestimmung.

Sie stellten 5 Muster für die Organisation von UX vor:
Zentrales UX-Team
Ein zentrales UX-Team erbringt im Unternehmen UX-Dienstleistungen und bringt sich in Projekte ein, wie eine interne Agentur.
- Vorteil: enge Zusammenarbeit im UX-Team
- Nachteil: Team wird schnell mit Aufgaben überfordert wird und zum Flaschenhals wird.
Matrix UX-Team
In diesem Modell sind UX-Leute zwar einem zentralen UX-Team zugeordnet werden. Sie erbringen ihre fachliche Arbeit direkt in den Teams und sind diesen auch fachlich zugeordnet. Dieses Modell eignet sich für Unternehmen mit höherer UX-Reife.
- Vorteil: Gute Zusammenarbeit im UX-Team
- Nachteil: UX-Professionals haben zwei Führungskräfte. Das kann zu Konflikten führen.
Dezentrale UX-Professionals
UX-Professionals sind sowohl fachlich als auch disziplinarisch den Entwicklungsteams zugeordnet. Es ist ratsam in diesem Modell mit einer UX-Community oder Gilde zu arbeiten, um die Nachteile des Modells zu kompensieren und die Positionierung des Themas UX zu verstärken.
- Vorteil: Gute Integration der UX-Professionals
- Nachteil: Austausch unter UX-Pros und konsistente Produktgestaltung ist schwierig
Hub & Spoke
Das Modell ist für große Unternehmen geeignet. Es besteht aus mehreren UX-Teams, die beispielsweise in unterschiedlichen Ländern oder Geschäftsbereichen arbeiten. (Spokes) Die UX-Teams werden über einen zentralen UX-Hub geführt.
- Vorteil: Nähe zur Produktentwicklung, Flexibilität im Einsatz der Spokes
- Nachteil: Finanzierung des Hubs
UX as common ground
Die ideale Form der Organisation von UX ist ein in der UX in alle Prozesse und Strukturen eines Unternehmens integriert ist. Es gibt hier keine gesonderte UX-Organisation. Die Grenzen der Disziplinen sind in dieser Organisationsform aufgelöst. Es ist der Nordstern der UX-Reifegradentwicklung.
Als Fallstricke bei der Entwicklung von UX-Organisationen nannten sie:
- UX-Designer:innen dezentral organisieren, ohne dass die UX-Reife weit genug ist.
- Zentrales UX-Team wird durch Arbeit überschwemmt und können nicht alle Aufgaben erfolgreich bearbeiten. Das führt zu Frustration bei Stakeholdern und UX-Team.
- UX-Polizei: Zu viele Vorgaben und Kontrolle kann zu Ausweichverhalten führen.
- Konflikte zwischen UX & CX
Die wichtigsten Anforderungen an eine UX-Organisation sind:
- Heimat für UX-Leute, die einen guten Austausch, gemeinsames Lernen und Problemlösung bietet.
- Fokussierung: Nicht alles ist machbar. Es muss bewusst entschieden werden, wo aus UX-Sicht der Fokus hingelegt wird.
- Zusammenarbeit mit anderen Organisationsbereichen optimal gestalten
- UX-Portfoliomanagement: UX-Leute dort einsetzen, wo es am meisten bringt.
- Seelsorge für UX-Leute, damit sie sich wohlfühlen
Cartooneering – lass uns doch mal Comics probieren!
Simon André Scherr und Sven Storck (Fraunhofer IESE) haben über die Visionsfindung mit Hilfe von comics gesprochen.
Die zentrale Herausforderung in der Produktentwicklung ist die Frage, wie man zu einer gemeinsamen Produktvision kommt. In der Definition einer gemeinsamen Vision müssen viele Meinungen von unterschiedlichen Gruppen unter einen Hut gebracht werden. Reine Workshopformate sind dafür zu frei, um die Meinungen der Stakeholder unter einen Hut zu bringen.
Sie haben dafür „Cartooneering“ erfunden. Das basiert auf Personas, deren Journeys und Geschichten in Comicform. Die Comicform ermöglicht eine gute Einbeziehung aller Stakeholder. Stakeholder können ihre Ideen einfach einbringen und sehen, dass sie aufgegriffen werden.
Durch die Geschichtenform werden die Motivation und Emotion der Persona anschaulich und adressatengerecht vermittelt.

Für die Arbeit mit Cartoons empfehlen die Beiden:
- Es wird pro Comic immer die Bearbeitung einer Aufgabe oder ein Problem einer Persona abgebildet.
- Nebencharaktere werden ebenfalls als Personas behandelt.
- Orientierung am 5-Akt-Drama: Prolog, steigende Handlung, Konflikt, Fallende Handlung, Lösung des Konfliktes
- Ein Problem kann von unterschiedlichen Personas aus mehreren Blickwinkeln betrachtet werden.
- In den Comics steht die Lösung des Problems bzw. die Handlungen und der Blick auf den zu erfüllenden Zustand im Mittelpunkt. Das Produkt oder das User Interface steht nicht im Fokus.
- Eine gute Balance zwischen Detailgrad und Übersicht.
- Mindestens 6 aber nicht mehr als 14 Bilder pro Comic.
- So wenige Details wie nötig.
- Wenige Farben nutzen, damit es schneller erfassbar ist. Farben sollten als Akzentmittel eingesetzt werden.
- Nicht zu viel Text. Die Bilder sollen die Geschichte erzählen.
- Emotionen sollten insbesondere dargestellt werden, da sie das Problemverständnis fördern.
- Die Comics sollten regelmäßig mit neuem Wissen ergänzt werden.
Was kommt nach UX? – Die Beziehung zwischen Mensch und Produkt als zukünftiger Gestaltungsaspekt
Dominique Winter stellte seine persönliche Sicht darauf vor, wie sich der Arbeitsfokus der UX-Professionals in Zukunft entwickeln könnte.
Vorab: UX-Professionals werden auch in Zukunft daran arbeiten wollen, wertvolle und sinnvolle Produkte zu entwickeln, die Probleme lösen.
Die UX-Profession hat sich in der Vergangenheit aus der Betrachtung von Ergonomie (Benutzbarkeit, Einfachheit) zur Betrachtung des menschlichen Erlebnisses (Erleben der Interaktion) weiterentwickelt. Der Fokus in der Arbeit von UX-Professionals liegt heute auf der erinnerten User Experience, über die Menschen reden und reflektieren. Diese entsteht durch Episoden der Nutzung und Nicht-Nutzung. Es ist das Ziel eine Historie aus positiven Erlebnissen zu schaffen, die eine emotionale Bindung zwischen Anwender:innen und Produkt ermöglicht.
UX als Gestaltungsaspekt wird auch in Zukunft eine große Rolle für den Erfolg von Produkten und Unternehmen spielen. Einige Produkte werden in Zukunft eher wie ein:e Partner:in für die Nutzer:innen sein. Die Beziehungsebene zwischen Produkt und Anwender:innen wird in Zukunft eine größere Rolle spielen. Die Werte und Prinzipien für die das Produkt in der Beziehung sowie außerhalb steht, sowie deren Passfähigkeit zu den Werten & Prinzipien der Anwender:innen werden zu Erfolgsfaktoren für Produkte. Die Frage wird sein „Wie sollen Menschen die Beziehung zum Produkt empfinden?“. Die User Journey wird von den Phasen der Nutzung auf die Phasen Nicht-Nutzung ausgeweitet werden.
Zum Abschluss gab Dominique noch ein paar Impulsfragen zum Nachdenken mit:
- Wie sollen Menschen ihrer Beziehung zu unserem Produkt im Idealfall beschreiben?
- Wofür steht unser Produkt ein? (Werte und Prinzipien)
- Wie erkenne ich eine positive Entwicklung?
- Ist für mein Produkt eine langfristige Beziehung wichtig?