UX-Management – Ein Balanceakt zwischen operativem Muss und strategischer Vision #experiencecampfire

Im Alltag ist es für UX-Manager:innen eine große Herausforderung, trotz der zahlreichen operativen Aufgaben noch genügend Zeit für die Umsetzung der UX-Strategie zu finden. Deshalb haben wir uns in diesem Experience Campfire gemeinsam mit Ingo Widman der Frage gewidmet, wie UX-Strategien erfolgreich entwickelt und umgesetzt werden können.

Ingo Widmann ist Head of UX in der internen IT bei SAP. Seine Karriere führte ihn von der Prozessberatung über die Strategieberatung hin zu einer Rolle in der UX. Es hat ihn schon immer gereizt, Prozesse und Technologie an den Bedürfnissen und dem Nutzen der Menschen auszurichten, insbesondere bei internen IT-Systemen. Mit ca. 30 UXler:innen unterstützt er interne Entwicklungsteams bei der Gestaltung von nutzerzentrierten Customer & User Journeys und den entsprechenden Tools. Das UX-Team der SAP IT unterstützt damit ca. 4000 Mitarbeiter:innen, die Tools für SAP Mitarbeitende, Kunden und Partner bereitstellen.

Was ist eigentlich Strategie?

Strategie ist ein schwer zu fassendes Thema. Manchmal ist Strategiearbeit eine zielgerichtete Aktivität, manchmal nicht. Für ihn beschreibt eine Strategie, welches größeren Ziele und Ambitionen verfolgt werden sollen und wie diese erreicht werden können. Er veranschaulichte dies am Beispiel der eigenen UX-Strategie. Das übergeordnete Ziel bzw. die Vision der IT bei SAP war lange Zeit “Wir sind eine User Centric IT”. Mittlerweile ist „User Centricity“ als ein Handlungsprinzip in der IT aufgeführt. Das bedeutet, dass IT-Anwendungen von den Bedürfnissen der Anwender:innen bis zur passenden technologischen Umsetzung gedacht werden sollen. Das, was Menschen im privaten Bereich bei der Nutzung von Technologie als positiv erleben, soll auch im internen Unternehmensalltag so sein. Anders als bei privat genutzten Tools können die Anwender:innen negativen Erlebnissen nicht aus dem Weg gehen. Sie müssen die angebotenen Tools nutzen. Die UX von IT-Anwendungen hat damit einen wesentlichen Einfluss auf die Produktivität und den Erfolg.

Der Strategieprozess

Bei SAP IT wurde die Vision vom Top-Management initiiert. Der CIO ist davon überzeugt, dass ein nutzerorientierter Ansatz in der internen IT wichtig ist. Diese Überzeugung wurde durch Erkenntnisse aus Konferenzen, die der CIO besuchte, untermauert. Dieses Executive Sponsoring ist für Ingo eine wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Strategiearbeit.

Ausgehend von dem Wunsch nach einer “User Centric IT” wurde diese Vision mit einem Strategieteam und mit Hilfe entsprechender Insights und identifizierte Handlungsfelder erarbeitet und konkretisiert. Übergeordnetes Ziel der Strategie ist es, ein nutzerorientiertes Mindset in der gesamten IT-Organisation zu erreichen.

Mit seinem Team hat er die Vision in strategische Themenfelder heruntergebrochen. Diese umfassen zum Beispiel

  • Aufbau von UX-Wissen durch Schulungen
  • Kommunikation über UX
  • Unterstützung von Projekten
  • Etablierung eines Designprozesses in der Delivery bzw. Umsetzung
  • User Feedback-getriebenes Prototyping im Discovery Prozess.

Die UX-Strategie ist keine isolierte Strategie. Sie ist eingebettet in die Gesamtstrategie der IT. Die strategischen Themenfelder werden daher auch nicht nur im UX-Team diskutiert, sondern gemeinsam mit dem Leadership Team der SAP IT besprochen und abgestimmt.

“Die Umsetzung einer Strategie ist im Alltag eine Super-Herausforderung, da sich das Unternehmen ständig im Wandel befindet und sich Sponsoren ändern.”

Die Umsetzung der Strategie

Wie schon gesagt, ist es eine große Herausforderung, die strategischen Themenfelder im Alltag in die Umsetzung zu bringen. Ingos Erfolgsfaktoren in der Strategiearbeit sind:

  • Executive Sponsoring
  • OKRs
  • Flexibilität in der Umsetzung
  • Zweistufige Priorisierung
  • Aufrechterhaltung der Aufmerksamkeit für die strategischen Themenfelder
  • Nutzung von Multiplikatoreffekten

Die strategischen Themenfelder werden jährlich in entsprechende Arbeitspakete und Umsetzungspläne überführt. Konkret passiert das in einer Art jährlicher Retrospektive. In dieser wird ausgehend vom übergeordneten Ziel hinterfragt, wie gut die Fortschritte in Richtung dieses Ziels sind. Dabei werden der Status quo und die aktuellen Rahmenbedingungen diskutiert. Insbesondere wird geschaut, in welche Richtung sich das Unternehmen insgesamt entwickeln soll und will. Auf dieser Basis werden die strategischen Handlungsfelder für die kommenden Monate neu ausgerichtet.

Die Rahmenbedingungen für die Umsetzung der Strategie können sich auch unterjährig ändern. Die Ausrichtung des Unternehmens kann sich ändern oder Führungskräfte können wechseln. Dies kann zu einer Anpassung der Priorisierung oder der Inhalte der strategischen Themen führen. Ingo empfiehlt daher einen flexiblen Umgang mit den strategischen Handlungsfeldern ohne das dabei übergeordnete Ziel aus den Augen zu verlieren. Eine der wichtigsten Aufgaben als UX Manager sieht er darin, diese Veränderungen rechtzeitig zu erkennen und entsprechend mitgestalten zu können.

Damit die strategischen Themenfelder im Alltag ihren Platz finden, setzt er auf eine zweistufige Priorisierung. Bereits bei der Strategieentwicklung werden die Themenfelder in “Must-do”- und “Ambition”-Ziele unterteilt. “Must-do”-Goals stellen dabei die wesentlichen Pflichtthemenfelder dar, d.h. Dinge, die unbedingt bearbeitet werden müssen. “Ambition”-Goals beschreiben die Themen, die das Team gerne darüber hinaus erreichen möchte. Die Ziele werden dann in den “Product”-Backlog des Teams überführt.

Damit sie im Alltag nicht untergehen, werden sie alle zwei Wochen im Team besprochen und quartalsweise überprüft. So bleibt die Aufmerksamkeit des Teams auf die strategischen Themenfelder gerichtet. Außerdem kommuniziert und platziert er die “Ambition”-Goals immer wieder im Führungsteam. Auf diese Weise sichert er sich auch die Aufmerksamkeit des Managements. Ganz nebenbei ebnet dies auch den Weg für notwendige Entscheidungen, zum Beispiel über das Budget.

“Go with the flow.”

Ingo empfiehlt, bei der Strategieumsetzung auf Multiplikatoreffekte zu setzen. Am besten ist es bei der Strategieumsetzung mit den Teams zu arbeiten, die von sich aus an der Erreichung des übergreifenden Ziels oder den strategischen Handlungsfeldern arbeiten wollen. So entstehen positive Beispiele, die andere motivieren. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Hindernisse oder Widerstände umgangen werden. Das UX-Team wählt nur sorgfältig aus, welche Hindernisse und Widerstände bei der Umsetzung der Strategie angegangen werden sollen. Dieser Ansatz verhindert auch eine Überlastung des UX-Teams. Dies kann passieren, wenn man sich zu schnell zu viel in der UX-Strategie vornimmt.

Um den Fortschritt der Strategie gut erkennen zu können, setzt Ingo auf Metriken. So wird zum Beispiel mit SUS oder UX Lite gemessen, wie gut sich die SAP IT dem angestrebten Ziel nähert. Ein UX Score mit einem Zielwert ist als ein KPI für die IT verankert.

Stakeholder-Management passiert auf der persönlichen Ebene

Wir sprachen mit Ingo auch über Stakeholder-Management. In der Strategiearbeit bezieht er viele Stakeholder:innen mit ein. Diese kommen z.B. aus dem Leadership Team, der COO Funktion, anderen UX Teams oder den Entwicklungsteams. Eine wesentliche Stakeholdergruppe sind für ihn auch die POs.

Stakeholder Management findet für ihn auf der persönlichen Ebene statt. Damit es gut funktioniert, ist eine gute persönliche Beziehung wichtig. Daher verfolgt er auch keinen formalen Ansatz im Stakeholder Management. Er setzt auf persönliche Gespräche mit den einzelnen Stakeholder:innen. So kann er deren Sichtweisen besser verstehen und seine Botschaften adressatengerecht kommunizieren.

Die Rolle des UX-Managers in der Strategiearbeit

Ingo sieht den UX Manager in einer strategischen Treiberrolle. Er ist derjenige, der den Strategieprozess und die Arbeit an den strategischen Themenfeldern vorantreibt. Er vertritt die strategischen Handlungsfelder als Fürsprecher und bringt sie in die Diskussionen auf Managementebene ein. Er beobachtet, was in der Organisation passiert, z.B. welche neuen Initiativen gestartet werden. Aufgrund dieser Beobachtungen erkennt er frühzeitig Anknüpfungspunkte oder die Notwendigkeit zur Anpassung der Strategie.

Derzeit ist er allein für diese Aufgabe zuständig. Er empfiehlt jedoch, diese Aufgabe auf mindestens 2 Personen zu verteilen. Kommunikationsfähigkeiten sind in diesem Zusammenhang von entscheidender Bedeutung.

Ingos ultimativer Tipp für UX-Strateg:innen

Abschließend fragte ich Ingo nach seinem wichtigsten Learning aus der Strategiearbeit. “Prüfe Deine Annahmen.” war seine Antwort. Auch wenn Kolleg:innen “UX” als Begriff verwenden, heißt das nicht, dass man das Gleiche meint. Es hilft, insbesondere in der Kommunikation mit Stakeholder:innen, die eigenen Annahmen zu hinterfragen und sicherzustellen, dass alle Beteiligten das gleiche Verständnis haben.

Vielen Dank

Vielen Dank, Ingo, für Deine aufschlussreichen Einblicke in Deine Strategiearbeit, vielen Dank an alle Teilnehmenden für die Diskussion sowie vielen Dank an Ergosign und cxomni für die Unterstützung dieses Experience Campfire.

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