In diesem Campfire hatten wir das Vergnügen, mit Jan Groenefeld über seine Herangehensweise an Product bzw. Continuous Discovery zu sprechen. Jan ist Chief Product Officer bei den Roten Robben und Autor von gestalten-mit-ki.de. Er kennt sich nicht nur sehr gut mit dem methodischen Vorgehen im Product Discovery aus, sondern nutzt in vielen Schritten seiner Discovery-Arbeit KI-Tools (vor allem ChatGPT), um neue Geschäftsideen zu bewerten.
Besonders beeindruckt hat mich die strukturierte Vorgehensweise, mit der Jan ChatGPT einsetzt. Anstatt intuitiv mit ChatGPT zu chatten, entwickelt er Promptrezepte, mit denen er Bots erstellen kann, die ihm bestimmte Arbeitsschritte wirklich abnehmen.
Was ist Product Discovery?
Jan und sein Team verstehen Product Discovery als einen kontinuierlichen Prozess, um neue Produktideen zu finden und zu validieren. Angesichts des schnellen Wandels und der unbeständigen Marktbedürfnisse hält er Product Discovery für einen wichtigen Ansatz.
“Die Welt befindet sich im Turbo-Modus. Bedürfnisse sind fragil wie nie zuvor, und entsprechende Rückschlüsse für Produkte sind instabil. Für mich ist Product Discovery die Antwort auf dieses Problem.”
Geschwindigkeit ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor bei der Bewertung von Geschäftsideen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass KI-Tools zum Einsatz kommen.
In der Product Discovery oder „Business Design“, wie diese Phase bei Rote Robben genannt wird, arbeiten Menschen aus den Bereichen Business, Technik und Design bzw. UX eng zusammen. Die Intensität der Zusammenarbeit dieser 3 Rollen variiert je nach Schritt in der Business Design-Phase.
Kriterien zur Bewertung neuer Geschäftsideen
Bei den Roten Robben gibt es klare Kriterien, nach denen neue Geschäftsideen bewertet werden. Zunächst wird geprüft, ob der Bedarf groß genug ist und ein ausreichender Markt vorhanden ist. Dabei spielen wirtschaftliche Aspekte eine große Rolle, denn jede Idee muss auch das Potenzial haben, profitabel zu sein. Es muss geklärt werden, ob das Produkt wirtschaftlich und technisch realisierbar ist.
“Wir wollen immer auch einen positiven Impact für Gesellschaft und Umwelt schaffen, während wir gleichzeitig wirtschaftliche Ziele verfolgen.”
Vorgehen im Business Design
Jan beschrieb die Schritte, die von einer ersten groben Idee bis hin zu einer echten und validen Geschäftsidee durchlaufen werden müssen. Jedes Produkt beginnt mit einer groben Idee, die entweder von Mitarbeitenden des Unternehmens oder von externen Gründungswilligen stammt. Der erste Schritt besteht darin, die Erwünschtheit (Desirability) der Idee zu prüfen.
„Es muss einen wirtschaftlichen Grund haben, diesem Bedürfnis nachzugehen.“
Zunächst muss die Idee konkretisiert werden. In diesem Schritt werden z.B. Ideenkarten oder Storyboards verwendet. Damit wird unter anderem geklärt, welches Bedürfnis oder Problem das Produkt lösen soll und welche Zielgruppe dieses Bedürfnis hat. Das Storyboard hilft dann dabei, die Produktidee in eine kurze visuelle Geschichte zu verpacken, die mit Investor:innen und Anwender:innen besprochen werden kann. Auf Basis der Story in Form eines „Pixar Pitch“ und dem Feedback von Investor:innen und Anwender:innen werden dann weitere Maßnahmen zur Evaluierung der Geschäftsidee genutzt. Jan nannte hierfür „Fake Door Tests“, bei denen mittels Landing Pages das tatsächliche Interesse der Zielgruppe überprüft wird. Die so gesammelten Daten werden gemeinsam mit Daten aus bereits bestehenden Marktforschungsstudien ausgewertet. Die Erkenntnisse werden genutzt, um mittels Workshops und Anreicherung durch ChatGPT eine klare UX-Vision für das zu entwickelnde Produkt und ein Business Model Canvas abzuleiten.
Nutzung von KI
Jan setzt in der Product Discovery sehr viel ChatGPT um Ideen zu konkretisieren, zu visualisieren, Erkenntnisse zu gewinnen oder Arbeitsergebnisse zu vervollständigen. Ein besonderes Highlight ist die Verwendung von Prompts, um Storyboards zu erstellen. Wie er das genau macht, kannst Du in seinem Storyboard-Rezept nachlesen oder bei Youtube schauen.
Ein weiterer Beispiel war die Nutzung von Prompts für UX Writing. Er hat einen Prompt entwickelt, der eine JSON-Datei analysiert und daraus konsistente und qualitativ hochwertige Inhalte erstellt. „Ich hab’s geschafft, ein Bot zu entwickeln, der eine fast beliebig große JSON-Datei aus der Entwicklung reingibt und die verbessert zurückliefert“, berichtete Jan. Diese Automatisierung spart nicht nur Zeit, sondern erhöht auch die Qualität der erstellten Inhalte erheblich.
Sein Grundvorgehen basiert darauf, dass er sich strukturierte Prompts (Siehe „Prompting 1×1“) erstellt. Diese Prompts sind so aufgebaut, dass konkrete Anweisungen für Rolle, Kontext, Aktion, Ergebnis und Rahmenbedingungen enthalten.
„Sprachmodelle sind Strukturprofis.“
Die Prompts sind recht umfangreich. Teilweise enthalten sie auch Handlungsanweisungen wie „Frage mich nach der Anforderung, für die das Storyboard erstellt werden soll“. Auf diese Weise entsteht ein Bot, der Schritt für Schritt die notwendigen Informationen abfragt, um die gewünschten Ergebnisse zu produzieren.
Auf Basis der Ergebnisse werden die Prompts immer wieder angepasst und verbessert. Auf diese Weise ist es möglich, die Varianz der Sprachmodelle einzuschränken und die Qualität der Ergebnisse, insbesondere die Reproduzierbarkeit, zu verbessern.
“Mit gezielten Prompts und KI können wir innerhalb von Minuten valide Diskussionsgrundlagen schaffen, die sonst Wochen in Anspruch nehmen würden.”
Für Jan sind die Prompts bzw. diese umfangreichen Promptrezepte sein persönliches Handwerkszeug. Sie erweitern sein Methodenwissen und geben ihm die Möglichkeit, es automatisiert anzuwenden. Man hat Jan im Gespräch angemerkt, wie begeistert er von dieser Arbeitsweise ist. Aber: Immer wieder weist er darauf hin, dass man die Ergebnisse nicht unreflektiert und ungeprüft verwenden darf. Man muss genau verstehen, was KI-Tools wirklich können und wie sie funktionieren. KI-Werkzeuge sind keine Rechenmaschinen. Sie „rechnen“ zwar mit Worten, aber im Ergebnis sind sie deutlich variabler als Rechenmaschinen. Aus 2+2 kann auch 3,7 werden. Er betrachtet die Ergebnisse von KI-Tools als Vorschläge, die von Menschen ausgewählt oder vervollständigt werden müssen. Außerdem lohne es sich derzeit noch nicht, für bestimmte Aufgaben, wie die Erstellung von Wireframes, auf KI-Tools zu setzen. Der Aufwand für gute Ergebnisse ist einfach noch zu hoch.
„Die Ergebnisse von KI sind ein gut gemeinter Diskussionsvorschlag.“
Für die, die in diese Art des Prompt Engineerings in der Product Discovery einsteigen möchtest, gab Jan folgende Empfehlungen:
- “Continuous Discovery Habits” von Teresa Torres lesen: Dieses Buch vermittelt ein gutes Verständnis darüber, wie UX, Business und Technik zusammenspielen können.
- Mit Menschen austauschen, die bereits einen strukturierten Ansatz für ihre Prompts verwenden.
- Nicht auf die Produktversprechen von KI-Tools reinfallen. Einige basieren auch nur auf ChatGPT und strukturierten Prompts für die man dann Extra zahlen muss.
- Lernen, wie Sprachmodelle wirklich funktionieren, auch wenn es mühsam ist.
- Prompting Frameworks lernen und strukturierte Prompts verwenden
- Selbst viel ausprobieren: “Hände dreckig machen ist das A und O,” betonte Jan. “Nur so kann man die Technologie wirklich verstehen und effektiv nutzen.”
Vielen Dank
Zum Abschluss möchte ich mich ganz herzlich bei Jan für seine wertvollen Einblicke und den Aha-Moment bedanken. Ein großer Dank geht auch an unseren Sponsor cxomni, ohne den dieses Experience Campfire nicht möglich wären.
Weitere Links:
- KI-UX-Kochkurs von Jan: https://www.Gestalten-mit-KI.de
- AI-Website Generator: https://www.relume.io/
- UI-Generator-Pfugin für Figma: https://musho.ai/
- No Code Tool für AI Workflows: https://www.flowrabbit.ai/