Betriebswirtschaftliches Denken für UX Professionals

Fehlende Betriebswirtschaftliche Kenntnisse sind ein wesentliches Hindernis für (angehende) UX Professionals mit Führungsverantwortung. Ohne betriebswirtschaftliche Kenntnisse und unternehmerisches Denken wird es schwer als (angehende) UX Manager*in die fachlichen Ziele von Customer & User Experience zu erreichen. Es hilft eben nicht mit einem pauschalen Verweis auf die Wirkung eines positiven Erlebnisses oder einer guten Produktgestaltung überzeugen zu wollen, wenn man dabei die wesentlichen betriebswirtschaftlichen Grundlagen übersieht.

Leider wird dieser Aspekt in vielen Studiengängen für Design und UX stark vernachlässigt. Dabei ist das eigentlich gar nicht so schwierig: Das betriebswirtschaftlich vorrangige Ziel von Unternehmen ist es, Gewinne zu erwirtschaften. Damit das fortlaufend gelingt dies zu erreichen, sind Wachstum und stetige Verbesserung erforderlich. Ich vergleiche das Mal mit dem Motorradfahren. So lange alles in Bewegung ist und sich vorwärts bewegt, ist alles in Balance und stabil. Sobald sich die Fahrt verlangsamt oder der Stillstand eintritt, beginnt es zu Wackeln und es wird schwierig, den Kurs zu halten.

Folgt man dem Gedanken der Gewinnmaximierung von Unternehmen, lassen sich folgende Ziele von Geschäftsleitung bzw. C-Level-Managements auf folgende Punkte ableiten:

  • Erhöhe den Umsatz aus dem bestehendem Geschäft
  • Senke Betriebskosten
  • Generiere zusätzlichen Gewinn aus neuen Geschäftsmodellen, Märkten oder Zielgruppen
  • Erhöhe den Unternehmenswert

Als Customer & User Experience Professional musst Du nicht alle betriebswirtschaftlichen Feinheiten im Detail kennen. Du solltest aber verstehen, wie Dein Unternehmen Erträge erwirtschaftet und welche Aufwendungen das Unternehmensergebnis beeinflussen. Du solltest wissen, in welchen Zielgruppen und Märkten Dein Unternehmen aktiv ist und welches Wachstumspotential in diesen steckt. Du solltest wissen, was Dein Unternehmen aus Sicht der Geschäftsführung bzw. C-Level-Management und aus Sicht der Investoren wertvoll macht.

Mit diesem Hintergrundwissen kannst Du deutlich besser einschätzen, wo und wie Investitionen in Customer und User Experience einen echten Einfluss auf oben genannten Punkte haben. Du erkennst jenseits der fachlichen Romantik von Customer & User Experience, was wirklich für Dein Unternehmen zählt. Dadurch bist Du in der Lage effektive Schritte für die Etablierung von CX & UX und für die nachhaltige Verbesserung des Erlebnis von Kund*innen und Anwender*innen zu definieren. Das ändert Deine Rolle vom fachlichen Evangelisten zum Treiber für das Unternehmensergebnis.

Niemand kann in diesen volatilen Zeiten mit absoluter Sicherheit sagen, was für den finanziellen Erfolg und Wachstum eines Unternehmens am Besten ist. Wenn man ehrlich ist, “wetten” Geschäftsführung bzw. C-Level-Management bei Entscheidungen heutzutage häufig auf Basis der Kenntnis über betriebswirtschaftlichen Mechanismen, finanzieller Kennzahlen und der persönlichen Erfahrungen. Das funktioniert so lange, bis ein unerwartetes Ereignis eintritt und es dann doch anders ist, als Kenntnisse, Kennzahlen und Erfahrungen vermuten ließen. Althergebrachte Managementweisheiten und betriebswirtschaftlichen Theorien bieten eben keine Sicherheit mehr. Es ist ein ständiges Beobachten, Lernen und Verbessern erforderlich.

Erfahrene Manager*innen begegnen dieser Unsicherheit daher mit anpassungsfähigen Strategien, Beobachtung von und flexible Reaktion auf Veränderungen, unternehmerische Analyse in Echtzeit und dem Fokus auf echte Ergebnisse. Du kannst als UX Professional mit zwei Dingen richtig punkten:

  1. Unterstütze Dein Unternehmen dabei die Veränderungen bei Kund*innen und deren Erlebnissen in Echtzeit zu beobachten. Damit wirst Du zum wichtigen Datenlieferanten für Managemententscheidungen.
  2. Erkenne die Stellen an denen negative Erlebnisse von Kund*innen bzw. Anwender*innen Einfluss auf Aufwendungen und Erträge haben. Als UX Professional hast Du das Handwerkszeug um die Gründe zu identifizieren und konkrete Verbesserungsvorschläge zu machen. Verargumentiere diese auf Basis realer betriebswirtschaftlicher Zusammenhänge in Deinem Unternehmen und mit greifbaren Ergebnissen.

Wenn Du also in Geschäftsführung und C-Level-Management überzeugen willst, dann vermeide platte Versprechen, wie beispielsweise:

“Diese amerikanische Studie hat gezeigt, dass Unternehmen, die UX total wichtig finden, viel schneller wachsen, als die Unternehmen im S&P 500. Wenn wir das auch machen, dann wachsen wir.”.

https://www.primitivelogic.com/insights/how-digital-experience-leaders-grew-276-greater-than-the-sp-500/

Besser denkst und argumentierst Du beispielsweise so:

“In der Zielgruppe X haben wir sehr hohe Serviceaufwendungen. Im Jahr beschweren sich 21.200 Kund*innen über den Prozess Y in unserem Produkt. Unser Service braucht pro Kund*in 10 min, um die Kund*innen durch den Prozess zu führen. Wir haben das mit Kund*innen tiefer analysiert und gesehen, dass die Benutzerführung irreführend und die Texte missverständlich geschrieben sind. Das zu verbessern, würde uns einen Aufwand von 159 Stunden (12,6 TEUR) kosten. Damit können wir sehr wahrscheinlich 80% der Anrufe einsparen. Das bringt uns eine Kostenersparnis von 90,5 TEUR im Jahr bei den Aufwendungen für die externen Call-Center. Außerdem können sich unsere internen Call-Center-Agent*innen um mehr Anrufe von Kaufinteressenten kümmern und deren Bearbeitungsdauer auf 0,7 Tage verkürzen.”

Unternehmerisches Denken und betriebswirtschaftliche Kenntnisses sind für UX Manager*innen der Nährboden, auf dem die fachlichen Kenntnisse und das Handwerkszeug zu Customer & User Experience ihrer volle Wirkung entfalten können.

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