#LDFest 2021 – Tag 2: Karriere für Designer*innen

Am 2. Abend des Leading Design Festivals ging es um die Frage, wie Designer*innen zu Führungskräften werden und wie sie Karriere machen.

Fun Fact am Rande: Das LDFest findet von 16:45 bis 21:35 Uhr unserer Zeit statt, damit auch Teilnehmer von Übersee eine Chance haben, daran teilzunehmen. Zumindest der Übermüdung nach, vermittelt es so den Eindruck einer internationalen Konferenz. 😁

Hier sind meine Erkenntnisse von Tag 2:

Jane Austin – The Three Ages of Leadership

Jane berichtet über die Dinge, die sie gern bei jedem ihrer drei Karrieresprünge von der Designerin bis zur Chief Design Officer gewusst hätte. Sie sprang von “ein oder zwei Personen führen” über “ein Team führen” bis hin zu “als Director führen”. Ich versuche mal die wesentlichen Punkte zusammenzufassen:

Als sie ein oder zwei Personen führte, hätte sie gern gewusst dass, …

sie besser eine bewusste Entscheidung zwischen der Karriere als Managerin und der Expertin in ihrem Handwerk getroffen hätte. Sie orientiert sich bei solchen Entscheidung heute an der Formel “Herz, Baum & Stern”. Herz steht für die Dinge, die sie glücklich und zufrieden machen. Baum steht für ihre Ziele und für Dinge in denen sie wachsen will. Der Stern steht dafür, was sie motiviert und belohnt.

Als sie die disziplinarische Verantwortung für die ersten Kolleg*innen übernahm, entschuldigte sie sich bei diesen dafür, dass sie befördert wurde und verspielte damit ihre Glaubwürdigkeit. Sie dachte, dass ihr die Menschen anvertraut wurden, damit sie besser und schneller ihre Arbeit fertig bekommt. Ihr war zu Beginn nicht klar, was Führung bedeutet. Sie wollte geliebt werden und übernahm schwierige arbeiten lieber selbst. Für sie bedeutet die Übernahme der disziplinarischen Verantwortung ein echtes Umdenken:

Sie musste lernen die Zeiten für Management und Umsetzung in Balance zu bringen. Management ist häufig in halben oder ganzen Stunden getaktet. Wenn Dinge umzusetzen oder zu bearbeiten sind, dann braucht es dafür Fokus und Flow. Das erfordert halbe oder ganze Tage. Sie nutzt für die Organisation ihrer eigenen “Umsetzungszeiten” fest reservierte Zeitblöcke im Kalender und plant die “Management-Zeit” drumherum. Manager*innen sollten daran denken, mit ihrem Takt nicht den ihrer Mitarbeiter*innen zu stören. Es ist wichtig sich die Zeit für die eigenen Mitarbeiter*innen zu nehmen. Aber das darf nicht deren “Umsetzungszeiten” stören.

Sie hätte außerdem gern gewusst, dass sie als Führungskraft immer weniger die richtigen Antworten kennt. Zuhören und das Führen über Fragen, die Menschen dabei helfen besser zu werden, ist heute ein wesentlicher Bestandteil ihrer Arbeit.

Zum Thema “geliebt sein” sagte sie, dass es nicht wichtig ist, ob die Mitarbeiter*innen eine Führungskraft mögen. Sie müssen sie “nur” respektieren. Der einfachste Weg dahin ist es, freundlich, klar und ehrlich zu sein.

Als sie Teamleiterin wurde, hätte sie gern gewusst, dass …

sie damit aus ihrer Designblase heraustritt und das Unternehmen in all seinen Funktionen besser verstehen muss – also Marketing, Vertrieb, … . Ohne diese Verständnis können Design Führungskräfte nicht die entsprechenden unternehmerischen Entscheidungen treffen und diese ihren Mitarbeiter*innen erklären.

Die wesentliche Aufgabe von (Design-)Führungskräften ist es dafür zu sorgen, dass sich die Mitarbeiter*innen emotional erfüllt und inspiriert fühlen. Sie sieht daher die emotional Intelligenz eines Menschen als wichtigste Eigenschaft für eine erfolgreiche Führung. Unter emotionaler Intelligenz versteht sie, dass Menschen nicht nur erkennen, wie sich Andere fühlen, sondern auch eine Umgebung schaffen können, in der sich Andere emotional erfüllt und inspiriert fühlen.

Sie war nicht darauf eingestellt, wie schwierig die Einstellung neuer Mitarbeiter*innen ist. Ein Team so zu gestalten, dass die unterschiedlichen T-Shapes der Menschen ineinander greifen ist eine große Herausforderung. Wenn sie heute Menschen einstellt, dann sucht sie weniger nach kultureller Passung. Sie sucht nach dem fehlenden Puzzle-Teil, das ihr Team optimal ergänzt. Ein bisschen wie bei Tetris.

Eine weiter Aufgabe auf die sie nicht eingestellt war, ist die Fokussierung von Teams. Als Teams auf das Lösen eines Problems zu fokussieren und dabei den Ressourcen-Einsatz so gering wie möglich zu halten. Die Herausforderung darin liegt darin zu verstehen, was wirklich wichtig ist und wann eine Lösung gut genug ist.

Führungskräfte sollten authentisch sein. Wenn man also Teamleiter*in wird, dann sollte man bereit sein, sich als echten Menschen zu zeigen. Eine künstliche Maske ist für alle auf die Dauer nur anstrengend.

Als sie Director wurde, hätte sie gern gewusst, …

wie mächtig sie ist. Ihr war anfangs nicht klar, welche Macht die Position mit sich bringt und welche Auswirkungen es haben kann, wenn sie beispielsweise in einem Meeting mit anderen hochrangigen Führungskräften ein Veto einlegt.

Außerdem hätte sie gern gewusst, dass der nächste Karriereschritt sie in erster Linie zur Organisations- und Prozessentwicklerin macht. Dazu ist es notwenig in der Breite zu verstehen, wie ein Unternehmen funktioniert und was gerade passiert. Als hochrangige Design-Führungskraft, muss man sowohl Technologie, Business und Kultur verstehen. Man sollte verstehe, was das eigene Team Wesentliches zum Unternehmenserfolg beitragen kann. Man muss die Machtverteilung im Unternehmen analysieren und verstehen auf welche Personen man achten muss. Darüberhinaus muss man verstehen, worauf man wirklich Einfluss hat und welche Wirkung man tatsächlich erzielen kann.

Sie hätte gern gewusst, wie sie auf der hohen Ebene kommunizieren muss. Sie kommuniziert heute vor allem darüber, wie sie andere Senior Manager und Organisationseinheiten dabei unterstützt, das Unternehmen erfolgreich zu machen. Sie zeigt Arbeitsergebnisse, erklärt deren Wirkung und sucht kooperative Wege andere Menschen in den Designprozess einzubeziehen.

Sie sieht es heute als ihren Job an, eine Kultur zu entwickeln, in der sich Design entwickelt und eine hohe Ausrichtung auf Kunden entsteht. (Stichwort: customer-led company)

Janes Lesstipps zu Führung:

Keith Robinson – Leading from The Middle, Lessons From The IC Track

Keith gab in seinem Beitrag einen Einblick in seine Karriere als “IC in leadership”. IC steht für “Individual contributor”. Es ist eine Art Slang-Wort für Menschen, die in Unternehmen in einer Experten-Rolle fachlich führen. Ehrlich gesagt, habe ich diesen Begriff dieses Jahr zum ersten Mal gehört. Er beschrieb ICs so:

Als IC hatte er oft das Gefühl in seiner Karriere stecken zu bleiben. Es fühlt sich so an, dass man nur Karriere machen kann, wenn man ein*e Manager*in ist. Er empfiehlt Designer*innen auf einem IC oder ähnlichen Karrierepfad sehr früh damit anzufangen, mit ihren Führungskräften über ihre Karriere zu sprechen. Dabei sollten sie sich nicht nur auf die fachliche Weiterentwicklung konzentrieren. Um in eine Führungsebene zu kommen, sollten Designer*innen ihrer Kompetenzen breiter aufstellen.

Für Designer*innen ist nicht immer klar, was von ihnen erwartet wird. Sie sollten daher mit ihren Führungskräften die Erwartungen klären und aufschreiben. Designer*innen sollten darüberhinaus Ziele und Metriken für die Erreichung mit ihren Führungskräften vereinbaren. Beides bildet eine gute Basis für Gespräche über die eigene Karriere.

Designer*innen sollten strategischer arbeiten können. Es ist schwierig, sich auf strategische Themen einlassen zu können, wenn man im täglichen Geschäft auf operative Themen fokussiert ist. Außerdem werden Designer*innen häufig bei strategischen Diskussionen vergessen. Ein Weg mehr an strategische Diskussionen beteiligt zu werden, sind crossfunktionale Netzwerke. Designer*innen müssen sich die Möglichkeiten und die Zeit für strategische Arbeit selbst schaffen.

Je mehr man die Karriereleiter aufsteigt, umso mehr wird man vom Macher*in zur People Influencer*in. Gespräche, Meetings und Vorträge gehören damit zum Job. Design Führungskräfte sollten sich die Zeit nehmen Moderationsfähigkeiten zu erlernen, um unterschiedliche Workshopformat moderieren zu können. Sie sollten lernen, wie sie lehren und Menschen mit Mentoring unterstützen können. Für viele Designer*innen ist es schwierig sich die Zeit für diese Weiterentwicklung zu nehmen. Die operative Arbeit ist schlicht zu dominant. Daher sollten Designer*innen zuerst damit beginnen, sich die Zeit für die persönliche Weiterentwicklung zu schaffen.

Um Karriere zu machen, sollten Designer*innen ihrer Erfolge sichtbar machen. Das bedeutet ein bisschen mehr über sich zu reden und bisschen mehr zu zeigen, was sie erreicht haben. Man muss es ja nicht gleich mögen, aber es zumindest können.

Temi Adeniyi – Design Leadership For Imposters

Temi sprach über ihre Entwicklung als Designer*in und ihr permanentes Gefühl nicht gut genug zu sein. Sie leidet am Hochstapler-Syndrom, “einem Phänomen, bei dem Betroffene von massiven Selbstzweifeln hinsichtlich eigener Fähigkeiten, Leistungen und Erfolge geplagt werden”. Sie beschrieb, wie sie heute damit umgeht und was sie auf ihrem Weg von der Designer*in zur Design-Führungskraft gelernt hat.

Anspruch vs Können: Designer*in wird man, weil man ein gestalterisches Talent besitzt. Dieses gestalterische Talent führt von Anfang an zu einem bestimmten gestalterischen Anspruch an die eigene Arbeit. Designer*innen sollten sich bewusst sein, dass es Jahre dauert, um durch gestalterisches Talent und handwerkliches Können ein Level zu erreichen, in dem man in der Lage ist konsistent großartiges Design zu erzeugen. Am Anfang gibt es immer ein Gap zwischen dem eigenen Anspruch und dem eigenen Können. Oder anders gesagt: Am Anfang sind die meisten Arbeiten nicht so gut. Das sollte aber kein Grund für Trübsal sein. Es ist der Antrieb zu lernen und besser zu werden.

Erhalte Dein Selbstbewusstsein: Jeder Berufseinstieg und auch die meisten Karrieresprünge gehen damit einher, dass man in einer gewissen Weise von vorn beginnen muss. Das bedeutet, dass man auch beim Weg in Führungspositionen immer wieder in die Situation kommt, dass der eigene Anspruch höher ist, als das eigene Können. Damit dies das eigene Selbstbewusstsein nicht zerstört, empfiehlt sie sich immer wieder die eigenen Fähigkeiten vor Augen zu führen. Ein guter Weg dies zu tun ist Wissen zu teilen, also über das zu sprechen, was man gut kann.

Anstelle sich damit zu beschäftigen, was eine Führungskraft theoretisch ausmacht, sollte man die Erwartungen von Management sowie Unternehmen ergründen und diese mit den eigenen Fähigkeiten abgleichen. Auf diese Weise lernt man, was man wirklich noch nicht kann. Der Umgang mit Fehlern und Feedback ist ein weiterer Baustein. Es ist selbstverständlich, dass man Fehler macht, wenn man etwas noch nicht richtig kann. Aktives Einholen von Feedback hilft Fehler zu erkennen und zu lernen. Es kann dabei sehr hilfreich sein, nicht nur nach Fehlern zu fragen, sondern auch danach, was gut ist.

Glaubwürdigkeit ist eine Fundament für Führung. Sie entsteht nicht über Nacht, sondern durch konsistente Verhaltensweisen, Transparenz und Vertrauen. Es dauert lange sich diese aufzubauen. Wenn man neu auf eine Führungsebene kommt, dann ist es nicht ungewöhnlich, dass man das Gefühl hat, nicht glaubwürdig zu sein. Man muss es sich ja auch erst aufbauen. Temi empfiehlt damit zu beginnen sich selbst ernst zu nehmen und an sich zu glauben. Man sollte seine eigenen Werte kennen und diese offen kommunizieren. Weiterhin sollte man jenseits der theoretischen Führungsvorbilder ein eigenes Bild von Führung auf Basis der eigenen Stärken und Werte entwickeln und diesem folgen. Außerdem hilft der Austausch mit anderen Menschen, die ebenfalls an der eigenen Glaubwürdigkeit zweifeln.

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