Wenn alles gut geht, ist erfolgreiche User Experience (UX) wie eine harmonische Melodie: Sie bringt das Beste aus Unternehmen, Teams und Technologien zusammen. Doch wie lässt sich diese Melodie anstimmen – besonders in Organisationen, in denen UX noch keine etablierte Praxis ist?
In der Podiumsdiskussion haben wir zum Start des UX-Leadership-Barcamp „Newcomer“ genau das diskutiert. Moderiert von Tara Bosenick, diskutierten Rebekka Schmidt (DATEV), Björn Rohles (Digital Learning Hub Luxemburg) und Robin Goldberg (Mercedes-Benz) darüber, wie sich UX etablieren lässt.
Wie fängt man an, UX im Unternehmen zu etablieren?
Den Anfang zu finden, ist bei der Etablierung von UX oft die schwierigste Hürde. Björn regte an, zunächst ein Grundrauschen zu erzeugen: „Man muss regelmäßig über UX sprechen und zeigen, wie Produkte und Kundenbedürfnisse zusammenhängen.“ Robin ergänzte, dass UX-Profis ihre eigenen Werkzeuge einsetzen sollten: „Findet die Bereiche, in denen UX einen schnellen Mehrwert bringt, anstatt mit Reifegradmodellen zu starten, die schnell überfordern.“
Rebekka sprach offen über die Realität, dass UX häufig erst dann ernsthaft Beachtung findet, wenn etwas schiefgelaufen ist: „Wir können Risiken minimieren und damit Erfolg sichern, aber oft braucht es erst ein Problem oder den richtigen Impuls – manchmal kann das auch einfach ein:e Manager:in, der/die im Urlaub ein gutes Buch liest.“ Tara fügte mit einem Schmunzeln hinzu: „Vielleicht sollten wir einfach häufiger gute UX-Bücher verschenken.“
Mit welchen Methoden sollte man starten?
Die Wahl der richtigen Methoden ist gerade am Anfang entscheidend für die Akzeptanz von UX: Es gilt, schnell überzeugende Ergebnisse zu erzielen und das Momentum zu nutzen. Björn plädierte für Leuchtturmprojekte, um den Wert von UX exemplarisch zu zeigen, und Usability-Tests: „Sie machen Probleme sichtbar und überzeugen schnell durch greifbare Ergebnisse.“ Rebekka betonte die Bedeutung der Kommunikation: „Tue Gutes und sprich darüber – sichtbar zu machen, wie UX Mehrwert schafft, ist essenziell.“
Robin hob hervor, dass der Kontext des Unternehmens wichtig ist: „In hierarchischen Organisationen helfen Leuchtturmprojekte, die Aufmerksamkeit und Budget sichern. In dezentralen Strukturen kann es jedoch effektiver sein, mit kleinen Unterstützungsangeboten anzufangen.“ Tara unterstrich den pädagogischen Wert von Usability-Tests: „Schon wenige Tests können Augen öffnen und das Bewusstsein für UX stärken.“
Wie positioniert man UX-Research als Teil des Risikomanagements?
Ein zentraler Punkt der Diskussion war die Verankerung von UX als strategisches Element im Unternehmen. Robin betonte die Notwendigkeit, UX weg von der reinen „Weltverbesserung“ hin zu einem Business-Treiber zu positionieren.
Björn erklärte, dass die Durchführung von UX-Maßnahmen oft als Blocker missverstanden wird, wenn Produkte sehr schnell auf den Markt gebracht werden sollen: „Mit frühen Daten direkt am Anfang können wir sicherstellen, dass Projekte in die richtige Richtung gehen, ohne die Geschwindigkeit zu beeinträchtigen.“ Rebekka verdeutlichte die finanziellen Risiken gemäß der Boehms-Kurve, die durch ignorierte Nutzerbedürfnisse entstehen: „Fehler werden umso teurer, je später sie im Prozess entdeckt werden. UX kann hier früh ansetzen.“ Robin fasste es prägnant zusammen: „Ohne Daten aus User Research trifft man Entscheidungen blind – das ist nichts anderes als Raten.“
Wie etabliert man UX in Startups?
In Startups, wo Ressourcen knapp und Prozesse oft chaotisch sind, kann es herausfordernd sein, UX zu verankern. Rebekka machte deutlich, dass Startups von Natur aus nutzerzentriert arbeiten sollten: „Wenn ein Startup nicht die Bedürfnisse der Kunden erfüllt, wird es nicht überleben.“ Robin ergänzte, dass viel von den Gründer:innen abhängt: „Startups werden oft von Menschen mit Technik- oder BWL-Hintergrund gegründet. Hier fehlt es oft an UX-Know-how, dafür ist die Überzeugung groß, das Problem und die Kunden bereits verstanden zu haben.“
Tara warnte vor der verbreiteten Haltung „erst Wachstum, dann UX“: „Startups, die Masse über Qualität stellen, erkennen oft zu spät die Bedeutung von UX.“ Die Lösung? Nach Ansicht von Rebekka könnte es helfen, UX bereits früh als strategische Rolle im Unternehmen zu platzieren.
Wie fängt man mit Journey Management an?
Auch das Thema Journey Management wurde intensiv beleuchtet. Björn empfahl, zunächst das Bewusstsein für die Notwendigkeit solcher Methoden zu schaffen: „Oft weiß das Unternehmen nicht genau, wo es hakt oder wie Probleme zustande kommen. Journey Mapping kann dabei helfen, Probleme zu identifizieren.“ Robin riet dazu, nach bestehende Ansätze im Unternehmen zu suchen und sie zu nutzen, anstatt parallel neue Strukturen aufzubauen: „Eine doppelte Organisation verwirrt nur und führt zu unnötigem Widerstand.“ Ein Beispiel könnte das Marketing sein, dass oft bereits mit Customer Journeys arbeitet.
Rebekka hob hervor, dass Journey Mapping nicht nur zur Optimierung bestehender Prozesse dient, sondern auch Innovationspotenziale aufzeigen kann: „Wenn man die gesamte Journey versteht, lassen sich neue Geschäftsmöglichkeiten erkennen.“ Unternehmen könnten so neue Märkte erschließen.
Wie geht man mit Widerständen um?
Widerstände gegen UX sind nicht ungewöhnlich, besonders wenn es bereits etablierte Prozesse gibt. Björn empfahl, die Perspektive der Stakeholder:innen einzunehmen: „Versteht zunächst, welche Ziele sie verfolgen, und zeigt, wie UX dabei unterstützen kann.“ Robin sah pragmatische Ergebnisse als entscheidend an: „Stakholder:innen überzeugt man nicht durch Diskussionen, sondern durch sichtbare Erfolge.“
Rebekka schlug vor, andere für sich sprechen zu lassen: “Lasst Erfolgsgeschichten von Menschen im Unternehmen oder Externen erzählen, die bereits von UX profitiert haben.” Solche Fürsprecher:innen wirken oft mehr als eigene Argumente.“
Tara ergänzte, dass Flexibilität und Kompromissbereitschaft wichtig sind: „Man darf nicht dogmatisch sein – pragmatische Lösungen funktionieren besser.“
Wie überzeugt man das Management von den Ausgaben für UX?
Das Management von den Vorteilen von UX zu überzeugen, ist oft eine Herausforderung. Rebekka schlug vor, UX als Profit-Center zu positionieren: „Zeigt, wie UX nicht nur Kosten verursacht, sondern langfristig Gewinne sichert.“ Robin empfahl, die Sprache des Managements zu sprechen: „Argumentiert mit Risikominimierung und Business Value – das ist greifbar und überzeugend.“
Björn betonte die Bedeutung von Daten: „Verlässliche Zahlen schaffen Vertrauen und können helfen, skeptische Entscheider umzustimmen.“ Tara fasste es treffend zusammen: „Das Management möchte wissen, wie sich Investitionen in UX auszahlen. Risikomanagement bietet hier eine kraftvolle Perspektive.“
Abschluss: Highlights und Erfolge in der UX-Karriere
Zum Abschluss teilten die Gäste ihre persönlichen Erfolgsgeschichten. Rebekka berichtete, wie ein Tableau-Dashboard zur Visualisierung von Kundenbedürfnissen das Management für UX begeisterte. Björn hob hervor, wie die Verknüpfung von UX mit strategischen Zielen als echter Hebel diente. Robin erinnerte sich an einen besonders eindrücklichen Moment: „Entwickler:innen in Kundenschulungen zu schicken, hat ihnen die Augen geöffnet. Sie haben live erlebt, wo Nutzer:innen Schwierigkeiten haben – das hat mehr bewirkt als jedes Argument.“
Vielen Dank
Ein großes Dankeschön an Tara Bosenick, Rebekka Schmidt, Björn Rohles und Robin Goldberg für ihre Einblicke und spannenden Diskussionen! Ebenso ein herzliches Danke an unsere Sponsoren cxomni, ReSight Global, Changitors | UID und wir-senden-das.de für ihre Unterstützung.
Gemeinsam haben wir gezeigt, wie Unternehmen die UX-Melodie zum Klingen bringen können.